Wie hängen kognitive Funktionen mit fußballerischen Fähigkeiten zusammen?

In letzter Zeit bekommt man auf den sozialen Kanälen zahlreiche Übungen und Videos vorgeschlagen, die sich mit den kognitiven Funktionen oder Fähigkeiten beschäftigen. Ihnen wird eine besondere Bedeutung für den Fußball nachgesagt. Doch wie hängen die kognitiven Fähigkeiten tatsächlich mit fußballspezifischen Fähigkeiten zusammen?

Originalstudie: The Relationship between cognitive functions and sport-specific motor skills in elite youth soccer players (Scharfen & Memmert, 2019)

Ziel der Studie

Mit dieser Studie sollte der Zusammenhang zwischen grundlegenden kognitiven Funktionen und fußballspezifischen Fähigkeiten von NLZ-Spielern untersucht werden. Da sich die bisherige Forschung fast ausschließlich auf die kognitiven oder motorischen Fähigkeiten von Jugendspielern im Einzelnen fokussiert hat, ist eine Verknüpfung beider Aspekte dringend notwendig. Davon könnten vor allem die Talentsuche und Talentförderung profitieren.

Theoretischer Hintergrund

Unter kognitiven Fähigkeiten versteht man das Aufnehmen und Identifizieren von Umweltinformationen, sowie die Einordnung dieser Informationen in das bestehende Wissen. Eine bedeutsame Teilgruppe dieser kognitiven Fähigkeiten sind die exekutiven Funktionen (EF). Diese lassen sich in drei Kategorien unterteilen:

  • Arbeitsgedächtnis: die Fähigkeit, Informationen kurzzeitig zu speichern
  • Kognitive Flexibilität: die Fähigkeit, sich auf neue Anforderungen schnell einzustellen
  • Inhibition: die Fähigkeit, eigene Reaktionen oder eigenes Verhalten zu hemmen

In Forschungsfeldern außerhalb des Fußballs konnten bereits Zusammenhänge zwischen kognitiven und motorischen Fähigkeiten aufgedeckt werden.

Methode & Design

An der Studie nahmen 15 Spieler eines deutschen Nachwuchsleistungszentrums teil. Die Spieler waren im Schnitt 12.72 Jahre alt und spielten seit durchschnittlich 5.2 Jahren Fußball.

Die kognitive Testung wurde vor dem Fußballtraining durchgeführt und dauerte etwa eine Stunde. Sie umfasste folgende vier Test zur Erfassung der exekutiven Funktionen sowie der visuellen Aufmerksamkeitsausrichtung: attention window task (AWT), working memory span test (WM), perceptual load test (PL), motion object tracking test (MOT).

Die motorischen Tests wurden bereits vier Monate zuvor im Rahmen des DFB-Talentförderprogramms durchgeführt (sportmotorische Tests). Darunter fallen folgende motorischen und fußballerischen Fähigkeiten: Linearsprint (10 und 20 Meter), Richtungswechselsprint, Dribbling, Ballkontrolle (inkl. Passspiel), Jonglieren.

Sowohl für die kognitiven als auch die motorischen Tests wurde jeweils ein Gesamtscore ermittelt, der alle Ergebnisse der einzelnen Tests inkludiert.

Ergebnisse

  • MOT und PL korrelierten mit keinem der motorischen Tests
  • Die visuelle Aufmerksamkeitsausrichtung (gemessen durch den AWT) hängt mit dem Dribbling zusammen (0.66)
  • Das Arbeitsgedächtnis scheint mit motorischen Fähigkeiten verknüpft zu sein, da der WM mit Dribbling (0.56), Ballkontrolle (0.67), Jonglieren (0.73) und dem Gesamtscore (0.55) korrelierte
  • Die Gesamtscores der kognitiven und motorischen Fähigkeiten wiesen eine signifikante und hohe Korrelation (0.61) auf, wodurch ein Zusammenhang bestätigt werden kann
Talktics-Fazit:

Die fehlenden Zusammenhänge des MOT und PL mit den motorischen Fähigkeiten könnten darauf zurückzuführen sein, dass in den motorischen Tests des DFB keine vergleichbaren Aufgaben (mit z.B. mehreren Objekten, die es zu beobachten gilt) gestellt werden. Diese Ergebnisse sollten deshalb nicht überbewertet werden. Gerade die hohe Korrelation der beiden Gesamtscores offenbart jedoch die Bedeutung der kognitiven Fähigkeiten für den Fußball.
Da die Studie nicht längsschnittlich durchgeführt wurde, lassen sich keine kausalen Aussagen treffen: es bleibt unklar, ob die kognitiven Fähigkeiten die motorischen Fähigkeiten begünstigen oder umgekehrt. Ein enges Zusammenspiel scheint aber bestätigt.
Für die Talentsichtung oder die Talentförderung lassen sich noch keine konkreten Maßnahmen ableiten. Aufgrund bestehender Zusammenhänge sollte dem kognitiven Training dennoch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das muss nicht immer durch einzelne Tests oder Übungen geschehen, stattdessen lassen sich kognitive Aufgaben auch in normale Übungs- und Spielformen einbauen.

Außerdem sind wir uns sicher: Weitere Forschungsarbeiten werden das Zusammenspiel von Kognition und Motorik zeitnah aufklären. Auch wir werden uns deshalb weiterhin damit beschäftigen und euch davon berichten!


Scharfen, H. E., & Memmert, D. (2019). The Relationship Between Cognitive Functions and Sport-Specific Motor Skills in Elite Youth Soccer Players. Frontiers in psychology10.